Chop Shop by Yves Jaques

Seite Vier

 

Ich steuere den Mercedes auf das Gelände, rund um den hohen Holzzaun mit der Aufschrift ‚Franks Umbauten, ausländische und amerikanische Wägen’. Toady hat den Platz vor fünf Jahren bei einer Versteigerung gekauft. Die Geschichte war einfach so, dass Frank zu viel Koks geschnupft hat, was zu viele Haie zu wütend auf ihn machte. Er verschwand. Sein Pech. Toadys Glück.

Jedes Mal, wenn ich hier auf das Gelände fahre, denke ich daran, wie es war, als ich Toady das erste Mal traf. Er sah mich an diesem Tag, wie ich bei Scheib lackierte, und kam herüber, um mit mir zu sprechen, während ich an dem Jaguar arbeitete, den er hereingebracht hatte. Ich weiß noch, dass die Lackierung dieses Schlitten hervorragend aussah, und ich konnte mir um nichts in der Welt vorstellen, warum dieser Idiot den Wagen umlackiert haben wollte. Ich werde nie vergessen, wie er zu mir herüber schlich, ein wahrer Hüne von Mann. Seine Lippen bewegten sich, und ich dachte, er würde mir gleich den Kopf abbeißen. Aber er versuchte nur, in mein Ohr zu flüstern, dass er alles, was ich hier bezahlt bekäme, verdoppeln würde, wenn ich anfangen würde, für ihn zu arbeiten. Und das war der letzte Tag, den ich bei Earl arbeitete.

Ich lenke den Wagen schnell um die äußere Ecke des Geländes und bremse scharf. Wir bleiben kurz vor der Garage stehen. „Mach die Garagentür auf“, sagt Toady. „Lassen wir ihn hier stehen“, sage ich. „Jedenfalls tut mir meine Hand verflucht noch mal viel zu weh, um die rostige alte Kurbel zu drehen.“

„Eine kleine Verbrennung“, sagt Toady. „Was für eine Pussy. Genau wie sein Daddy.“ wispert er Boy zu.

Boy sagt zu mir: „Du lässt ihn so mit dir umspringen?“ Er öffnet die Fondtür, schnippt seine Zigarre hinaus auf den Boden und steigt aus dem Auto. Er schiebt die rostbraune Tür auf, und ich fahre den Benz in die Garage.

Toadys Laden wirkt ein wenig wie das Land der kaputten Spielzeuge in diesem Weihnachtsspecial. Wahrscheinlich könnte man hier irgendwo den vorderen oder hinteren Teil jedes Typs und Modells von Luxuswägen finden. Der Mann ist ein Genie. Als ich sein Gelände das erste Mal betrat, an jenem Tag, als er mich von Earl Scheib abgeworben hatte, hielt ich es für einen Schrottplatz. Das Ganze erinnerte mich an den Platz direkt neben uns, als wir in Fort Lewis lebten, damals, als ich noch klein und mein Vater noch nicht abgehauen war. Wir Kinder kletterten gern über den Maschendrahtzaun und strolchten durch die verbogenen Metallteile von Tausenden Autowracks. Ich hatte eine Sammlung seltsamer Teile, die ich in einer Schachtel unter meinem Bett aufbewahrte, Federn, Zündkerzen, verrostete Splints. Als ich an jenem Tag auf Toadys Gelände kam, wusste ich, dass ich mich hier daheim fühlte. Sogar der Geruch stimmte.

Der Wagen ist in der Garage und Toady schließt die rostbraune Tür, während sich Boy von hinten an ihn presst, ihn aufgeilt, um so Zeit zu sparen. Ich habe das schon früher gesehen. Als ich aus dem Wagen steige, sehe ich, wie Boy die Brieftasche aus Toadys Hose zieht und sie ihn seine Jackentasche gleiten lässt. Der gerissene kleine Hurensohn. Ich schließe die Wagentür und beginne, meine Ausrüstung zusammenzutragen, die alte Milwaukee Schleifmaschine, das warme Bier, das ich stehen gelassen hatte, und meinen Walkman, um den Lärm zu übertönen.

Toady führt Boy zu seinem Büro. „Wir sehen uns, Süße“, sagt Boy zu mir, grinst und raucht eine neue Swisher. Toady begrapscht Boys Hintern und grinst mich anzüglich an. Er weiß, dass ich es hasse, wenn er diesen Scheiß macht. Früher versuchte er, die Burschen direkt vor mir zu packen, gleich hier am Boden des Ladens, aber ich ging einfach hinaus, und die Arbeit ging langsamer vor sich, also gab er in dieser Sache nach und ließ das bleiben.

Als er mich das erste Mal bat, für ihn zu fahren, wusste ich nicht, was auf mich zukam. Er sagte etwas in der Art von: „Lass uns Aurora rollen“, und ich war mir nicht sicher, ob er damit meinte, lass uns trinken und fahren und rauchen und dabei laut zum Fenster hinaus schreien, oder ob er vielleicht eine Nutte aufgabeln wollte. Ich dachte mir, beides wäre wahrscheinlich. Ich hatte gelernt, nicht zu viele Fragen zu stellen. In dieser Beziehung war er wie mein Vater.

Aber dass er einen Burschen wollte, das überraschte mich. Ich hatte noch nie mit einem Schwulen zu tun gehabt. Zumindest nicht, dass ich wüsste. Toady ist so groß und stark, auf die Idee wäre ich nie gekommen. Aber Toady machte es mir in einer gewissen Art und Weise klar. Diese erste Aurora-Rundfahrt war klar wie der Tag. Toady erzählte und rauchte die ganze Zeit hindurch, und er wollte, dass ich ihn mag. Er wollte, dass ich in seiner Nähe blieb. Mochte es, wie ich fuhr. Erzählte irgend einen Scheiß wie: „Nutten stinken wie billiges Parfum. Sind immer voll blauer Flecken von ihren Zuhältern. Aber ein Straßenjunge, das ist etwas anderes. Das ist so, als würdest du einen Wolf ins Haus lassen, und du kannst es kaum glauben, dass er es zulässt, dass du ihn streichelst. Dort steht er, zittert leicht, vielleicht erschrocken. Sie riechen wie Tiere, wie Schmutz, und Öl, und Scheiße. Nicht diese verfluchte Blümchen-Scheiße. Ich hasse Nutten.“

Komisch, ich erinnere mich, dass sich mein Dad immer über Moms Parfum beschwerte.

 

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